Die Rur
Die Rur entspringt im Hohen Venn in Belgien bei der Ortslage Sourbrodt. Von dort kommend, fließt sie nach ca. 10 Kilometern bei Kalterherberg über die Landesgrenze nach Deutschland, strömt weiter durch die Talsperrenlandschaft der Nordeifel und verlässt das Mittelgebirge schließlich bei Kreuzau, um auf flachem Terrain über Düren und Jülich nördlich von Heinsberg erneut eine Landesgrenze zu queren. Nach 130 Kilometern auf deutschem Gebiet steht ihr noch eine Strecke von 21 Kilometern in den Niederlanden bevor, ehe sie in Roermond in die Maas und damit in ein nordwesteuropäisches Hauptgewässer mündet. Somit erreicht die Rur eine Länge von 160,7 Kilometern.
Abbildung 1: Die Rur fließt in Monschau mitten durch die Stadt
Eigenarten der Fließstrecke
Man kann den Verlauf der Rur in drei Abschnitte einteilen.
Zum einen ist es der Oberlauf, der von der Quelle bis nach Kreuzau reicht. Danach folgt der Mittellauf, der von Kreuzau bis nach Linnich-Körrenzig angesetzt werden kann. Daran schließt sich der Unterlauf an, der bis zur Mündung der Maas reicht.
Die einzelnen Abschnitte der Rur weisen unterschiedliche Charakteristika auf, wodurch die Rur in ihrem Gesamtverlauf ein sehr abwechslungsreiches Erscheinungsbild bietet.
Das Hohe Venn als Quellgebiet ist ein hoch gelegener Flachlandbereich. Es handelt sich um ein Hochmoorgebiet, wodurch die reichhaltigen Niederschläge, die meist von wasserreichen Wolken aus westlicher und südwestlicher Richtung vom Atlantik her gespeist werden, wie ein Schwamm aufgesogen werden, um als Quellen für Wasserläufe wieder hervorzutreten.
Abbildung 2: Die Rur in der Eifel
Das Venn verlassend, schneidet sich die Rur tief in das Rheinische Schiefergestein der Nordeifel hinein und fließt als typischer Mittelgebirgsfluss durch teilweise enge Täler.
Das Flussbett ist hier hauptsächlich von Schotter geprägt, den die Rur aus dem Gebirge bis in den Mittellauf hinein trägt, wo er bis zum Unterlauf allmählich in Kies übergeht. Typisch für die Rur sind hier die Kiesbänke, die sich besonders bei niedriger Wasserführung zeigen.
Nach dem Verlassen des Mittelgebirges weitet sich das natürliche Ufergebiet der Rur auf, und sie zeigt Nebengerinne und Laufverlagerungen, die jedoch im letzten Jahrhundert durch Begradigungen weitgehend unterbunden wurden. Im Mittellauf, der den Übergang zwischen Gebirge und Flachland darstellt, hat der Fluss noch ein recht starkes Gefälle, bevor er im Unterlauf vergleichsweise träge und in Mäandern der Maas zufließt.
Die Rur zeigt ein sehr uneinheitliches Abflussverhalten. Teilweise vor allen Dingen in der Eifel sehr ergiebige Regenfälle lösen sich mit Trockenwetterperioden ab. Da die Regenmengen von der dünnen Humusschicht auf dem Schiefergestein im Gebirge nicht gut gespeichert werden können, suchen sie sich rasch ihren Weg flussabwärts, was die Gefahr von Ausuferungen und Überschwemmungen an Mittel- und Unterlauf mit sich bringt. Ebenso kann fehlender „Wassernachschub“ zu einem weitgehenden Trockenfallen der Rur führen.
Abbildung 3: Das Staubecken Obermaubach ist die letzte Staustufe der Rur im Talsperrensystem; das Wasser wird in den Unterlauf in der Regel über ein Wasserkarftwerk abgegeben; ein kleiner Teilstrom umgeht das Dammbauwerk mäandrierend als Fischaufstiegs- und -abstiegsanlage
Nutzungen des Flusswassers und der Ruraue
Schon immer haben am Fluss lebende Menschen sich die dortigen Gegebenheiten zunutze gemacht. Dies gilt auch für die Rur. Schon seit dem Mittelalter sind vor allem am Mittellauf Mühlengräben, örtlich „Mühlenteiche“ genannt, abgeschlagen worden, um Wasser als Betriebs- und Antriebsmittel zu gewerblichen Einrichtungen zu leiten. Traditionell stark waren die Textil- und vor allen Dingen am Mittellauf die Papierindustrie. Während letztere bis heute noch ein wichtiges wirtschaftliches Standbein der Region darstellt, ist die Textilbranche inzwischen weitgehend an preisgünstigere Produktionsstätten im Osten Europas oder in Richtung Asien abgewandert.
Die Mühlenteiche veränderten nicht nur abschnittsweise die Wasserführung im Fluss, sondern auch dessen Erscheinungsbild. So wurden Wehre angelegt, mit denen die Rur aufgestaut wurde, um Wasser in die Teiche abschlagen zu können.
Abbildung 4: Die Rur fließt in Düren am Stadtzentrum vorbei
Die unregelmäßige Wasserführung der Rur stellte für die Menschen, die am Fluss lebten und arbeiteten, schon immer eine Bedrohung dar. Deswegen entschloss man sich in den letzten Jahren des 19. Jahrhundert dazu, den Abfluss stark zu vergleichmäßigen. Dazu bot sich der Bau von Talsperren an, die bei entsprechender Witterung große Wassermengen aufnehmen können und sie damit zugleich für Trockenperioden bevorraten. Mit dem Bau der Urfttalsperre 1900-1905 wurde dann der Grundstein für ein umfangreiches Talsperrensystem gelegt, das im Jahre 1981 mit der Inbetriebnahme der Wehebachtalsperre seinen bisherigen Abschluss fand.
Im Mittel- und Unterlauf wurde der Flusslauf hingegen stark begradigt. Dadurch konnte zum einen Wasser im Hochwasserfall schneller abgeführt werden. Zum anderen wurden aber in den alten Auenbereichen des jetzt auf einen schmalen Korridor eingegrenzten Flusses Flächen frei, die zur Ausweitung von Wohngebieten, vor allen Dingen aber zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden konnten. Hier, wo früher Flächen als Grünland genutzt wurden, entstanden verstärkt Äcker.
Die Begradigungen am Fluss führten zu Laufkürzungen. Dadurch wurde das Gefälle größer; auch hier sorgten Staustufen wie Wehre für einen entsprechenden Ausgleich.
Abbildung 5: Die in einem Teilabschnitt renaturierte Rur bei Linnich-Körrenzig
Besonders im Mittellauf wirkt sich auch der umfangreiche Braunkohlenabbau in Tagebauen auf die Rur aus. Zum einen veränderte sich durch Sümpfungen das Grundwasserregiment, zum anderen werden Sümpfungswässer aber auch wieder eingeleitet. Ebenso verfügt der Bergbautreibende über Entnahmerechte von Wasser aus der Rur, da er z. B. in seinen Kraftwerken sehr große Mengen an Kühlwasser benötigt.
Mit wachsender Industrialisierung wuchs auch die Bevölkerung im Einzugsgebiet der Rur. Dadurch geriet das Wasser der Rur und ihrer Nebenflüsse auch ins Visier der Trinkwasserversorger. So wird aus den Talsperren an der Rur Wasser für die Trinkwasseraufbereitung entnommen. Dieses Wasser kommt den Menschen in der Nordeifel, im Dürener Land und im Raum Aachen bis hin in die benachbarten Niederlande zugute.
Entwicklungsziele
Die Inanspruchnahme der Rur und ihrer Nebengewässer durch den Menschen führt zu einer Vielzahl von Belastungen für das Wasser. An erster Stelle ist hier die Einleitung des häuslichen und industriellen Abwassers zu nennen, dessen Menge die Selbstreinigungskräfte der Rur bei Weitem übersteigen würde. Deswegen sorgen moderne Kläranlagen dafür, dass das Abwasser, bevor es wieder in die Fließgewässer entlassen wird, „flusstauglich“ aufbereitet wird. Neben Feststoffen und Keimen werden besonders auch Stickstoff und Phosphor eliminiert, die in hohen Konzentrationen zu einer Überdüngung der Gewässer führen würden.
In der Eifel sind dabei die Anforderung an die Reinigungsleistungen zum Schutz der unterhalb liegenden Talsperren besonders streng.
Neben der Gewässergüte ist aber auch die Gewässerstruktur zu betrachten. Der Einbau von Staustufen in den Fluss hat sich negativ auf die Gewässerlebewesen ausgewirkt. Im Wasser wandernde Fische etwa stehen vor unüberwindlichen Hindernissen. Dies und die Verunreinigungen der Flüsse haben dazu geführt, dass etwa der Lachs, der früher die Rur und ihre Nebengewässer bevölkerte, hier nicht mehr heimisch bleiben konnte. Ebenso verlor Fisch aus der Rur als wichtiger Bestandteil der Ernährung der Menschen früherer Jahrhunderte seine Bedeutung.
Abbildung 6: Die Rur bei Millich-Schanz im Kreis Heinsberg mit einem wieder angeschlossenen Altarm
So ist es das erklärte Ziel, der Rur – auch in Übereinstimmung mit den Anforderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie – wieder ein naturnahes Erscheinungsbild zu geben und eine ökologische Durchgängigkeit herzustellen.
Erste Schritte dazu sind bereits durch den Abriss oder den Rückbau von Wehren getätigt. Ebenso wurde der Staudamm in Obermaubach durch einen Fischweg wieder durchgängig gemacht. Dadurch wurde etwa ein historisches Laichgebiet des Lachses in der Kall wieder an den Unterlauf angeschlossen. Aber noch immer muss eine Vielzahl von Staustufen umgebaut werden, damit wieder eine völlige Durchgängigkeit von Obermaubach bis zur Rurmündung in die Maas entsteht.
Mit einer Vielzahl von Renaturierungsprojekten wurden bisher bereits Gewässerabschnitte in einen naturnahen Zustand versetzt. Dem Fluss wurde wieder Raum zu einer eigendynamischen Entwicklung gegeben; Retentionsflächen links und rechts des Ufers wurden wieder reaktiviert, die zudem durch kontrollierte Überflutung Hochwasserspitzen abmildern können.
Abbildung 7: Die Rur im Kreis Heinsberg
Die Wiederherstellung naturnaher Verhältnisse ist nicht nur Ziel an der Rur, sondern auch an den Nebengewässern. Dazu wurden so genannte „Konzepte zur naturnahen Entwicklung von Fließgewässern“ (KNEF) aufgestellt, die wo möglich sukzessive umgesetzt werden.
Der Rückbau stößt jedoch auch an Grenzen. Zum einen können nicht alle menschlichen Nutzungsansprüche überall aufgegeben werden. Zum anderen ist es auch völlig illusorisch anzunehmen, eine durchgehende Renaturierung der Hauptgewässer im Einzugsbereich der Rur sei finanziell umsetzbar. Ein Monitoring bisheriger Renaturierungsprojekte hat ergeben, dass diese positiv auf die sie umgebenden Gewässerabschnitte ausstrahlen. So werden in Zukunft im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie ausgewählte Gewässerabschnitte als so genannte „Trittsteine“ in solchen Abständen naturnah umgebaut, dass die europäischen Anforderungen insgesamt erfüllt werden.