Die Vicht
Die Vicht in ihrem Verlauf
Zunächst einmal heißt sie Grölisbach, der in Roetgen entspringt, erst ab der Stelle, wo ihr der Dreilägerbach zufließt, sprechen wir von der Vicht bzw. vom Vichtbach. Die Vicht bringt es auf eine Länge von ca. 23 Kilometern, bevor sie in Stolberg in die Inde fließt. Wichtige Zuflüsse sind neben dem Dreilägerbach (unterhalb der gleichnamigen Talsperre)unter anderem auch der Roetgenbach, der Hasselbach, der Mausbach oder auch der Rüstbach .Die Vicht verfügt zunächst über ein relativ natürliches Einzugsgebiet mit viel Wald, aber auch mit einer Talsperre, der bereits erwähnten Dreilägerbachtalsperre. In Stolberg, im sogenannten „Unterlauf“, präsentiert sich der Mittelgebirgsbach jedoch die letzten knapp dreieinhalb Kilometer oft mit einer einzwängenden Bebauung links und rechts ohne Vorland; Mauern begrenzen hier die Ufer und jedwede gewässertypische Dynamik.
Das Einzugsgebiet der Vicht ist reich an silikathaltigem Gestein, das ihre natürliche Gewässerchemie bestimmt und sie dem Gewässertyp „silikatischer, grobmaterialreicher Mittelgebirgsbach“ zuordnet. Bei Mausbach passiert sie jedoch auf einer Strecke von ca. einem Kilometer einen Kalkzug.
Bild 01: Die Vicht im Oberlauf in ihrem waldreichen Einzugsgebiet
Gewässerzustand der Vicht
Aus Sicht der EG-Wasserrahmenrichtlinie gilt die Vicht in ihrem gesamten Verlauf als „mäßig“ belastet; als biologische Bewertungskriterien werden hier u. a. die vorhandenen Fische und das Makrozoobenthos zugrunde gelegt. Letzteres bezeichnet Kleinlebewesen der Gewässersohle, die mit bloßem Auge noch erkannt werden können und sich sehr gut dazu eignen, Gewässerbelastungen aufzuzeigen. Hierzu dient zum Beispiel der Saprobienindex, der die organische Belastung eines Gewässers beschreibt. Organische Substanzen gelangen natürlicherweise z. B. über den Laubfall in ein Gewässer, werden jedoch auch zusätzlich über Kläranlageneinläufe, Mischwasserabschläge aus der Abwasserkanalisation bei Starkregenereignissen oder landwirtschaftliche Nutzungen in die Flüsse eingetragen. Bei ihrem Abbau im Gewässer wird Sauerstoff verbraucht; je höher also die Belastung ist, desto geringer ist der Sauerstoffgehalt des Gewässers und dementsprechend finden sich auch nur Tiere, die mit derartigen Verhältnissen zurechtkommen. Die vorgefundene Lebensgemeinschaft kann also als ein Maß für die vorhandene Belastung benutzt werden. Die Vicht wird im Hinblick auf die saprobielle Belastung allerdings durchweg als „gut“ eingestuft.
Für die insgesamt nur „mäßige“ Bewertung sind folglich andere Faktoren entscheidend, die im Bezug auf das Makrozoobenthos unter dem Oberbegriff „Allgemeine Degradation“ zusammengefasst werden. Dahinter verbergen sich in erster Linie Defizite in der Gewässerstruktur. Veränderungen von einem natürlichen Fließverlauf hin zu einem ausgebauten Gewässer mit stark genutztem Umfeld spiegeln sich deutlich auch in der Lebensgemeinschaft an der Gewässersohle wieder. Hinzu kommt insbesondere bei der Vicht und einigen ihrer Nebengewässer eine vorwiegend geogene Belastung mit Schwermetallen, die ebenfalls Einfluss auf die Artzusammensetzung hat. So führt dies z. B. an einigen Stellen zu einer deutlichen Verringung der Anzahl der Bachflohkrebse (Gammarus sp.), die normalerweise in großer Zahl auftreten, hier aber sehr empfindlich reagieren.
Entwicklungsziele für die Vicht
Auch die Vicht unterliegt den Entwicklungszielen, wie sie durch die EG-Wasserrahmenrichtlinie vorgegeben werden. Diese erfordern die Herstellung eines „guten ökologischen Zustands“ für alle natürlichen Gewässer in der Europäischen Gemeinschaft; das bedeutet, dass nur geringfügige Abweichungen von einem natürlichen, unbelasteten Referenzzustand des Gewässers erlaubt sind. Dazu sind bei Bedarf entsprechende Maßnahmen durchzuführen, die dazu führen, dass die Gewässer diesen Zustand erreichen. Diese Maßnahmen sind entsprechend der anhand biologischer und chemischer Messgrößen festgestellten Defizite gewässerspezifisch auszuwählen.
Aufgrund der vergleichweise geringen Nutzungen im Einzugsgebiet wird die Vicht in ihrem Oberlauf als natürlicher Wasserkörper bewertet, der besagte „gute ökologische Zustand“ ist anzustreben.
Bild 02: Die Vicht im Unterlauf fließt zwischen der Bebauung eingezwängt mitten durch Stolberg
Anders verhält es sich jedoch im verbauten Unterlauf. Dieser ist aufgrund der vorhandenen Nutzungen – in erster Linie städtische Bebauung - so stark verändert, dass die Erreichung eines „guten ökologischen Zustands“ unverhältnismäßig wäre. Renaturierungen sind z. B. aufgrund der Stadtlage nur in kleinem Rahmen im Gewässer selbst machbar. Eine Laufveränderung oder die Wiederherstellung von Auenlandschaften entfallen, weil dazu Teile der Innenstadt Stolbergs geopfert werden müssten. Die EG-Wasserrahmenrichtlinie verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff „heavily modified water body“ – „stark veränderter Wasserkörper“. Durch diese Ausweisung werden die Entwicklungsziele für das Gewässer aufgrund von Nutzungen eingeschränkt, hierzu zählen neben Bebauung beispielsweise auch Nutzungen wie Hochwasserschutz, Schiffahrt oder Landentwässerung. Bei erheblich veränderten Wasserkörpern soll nur eine abgespeckte Variante, die den örtlichen Gegebenheiten Rechnung trägt, erreicht werden. Statt des „guten ökologischen Zustands“ geht es hier um das „gutes ökologisches Potenzial“, welches nur geringfügig von dem Refenrenzzustand abweichen darf, welcher bei beibehaltener Nutzung maximal erreicht werden kann. Maßnahmen zur Verbesserung des Gewässerzustands sind also auch hier immer noch möglich und nötig.
Reinigung der Vicht von Bewuchs und Unrat
Die Vicht fließt in Stolberg mitten durch die Innenstadt. Damit sind einige Probleme verbunden:
Zum einen ist es das Hochwasser. Bei sehr starken Regenfällen schwillt der Fluss an und kann sich in der Stadt nicht in Uferbereiche ergießen, weil die Böschungen hier meistens aus Mauern bestehen. Deswegen ist es als ein Bestandteil des Hochwasserschutzes von großer Wichtigkeit, dass das Gewässer frei von Abflusshindernissen ist, wie sie z. B. starker Aufwuchs an Mauern und im Flussbett darstellen können. Das Wurzelwerk des Bewuchses an den Mauern gefährdet zudem deren Standfestigkeit.
Zum anderen finden sich immer wieder große Mengen von „Zivilisationsmüll“ im Gewässer, das unliebsame Zeitgenossen als „Mülleimer“ missbrauchen in der Hoffnung, dass beim nächsten Hochwasser diese Hinterlassenschaften weggespült werden.
Wasserverband Eifel-Rur und Stadt Stolberg lassen deswegen einmal jährlich eine Grundreinigung des Gewässers vornehmen. Diese Kooperation bietet sich an, da der Verband für das Uferbett, die Stadt aber für die Wände der Ufermauern in öffentlichem Besitz zuständig ist.
Durch diese Reinigung wird die so genannte „hydraulische Leistungsfähigkeit“ des Gewässers gesichert, die durch Hindernisse verringert wird. Im Zweifelsfall könnte ein Hochwasser nicht schnell genug abfließen und dadurch Überschwemmungen verursachen. Reinigungsaktionen können bei Bedarf übrigens auch in Abstimmung von Stadt und Wasserverband wiederholt werden.
Bild 3: Vichtabschnitt mit starken Bewuchs
Bild 4: Abschnitt der Vicht nach der jährlichen Grundreinigung
Besonders ärgerlich ist die Notwendigkeit, auch Müll und Abfall aus dem Gewässer entsorgen zu müssen. Dadurch entstehen nämlich Mehrkosten in der Gewässerunterhaltung, die letztlich, wenn die Täter nicht dingfest gemacht werden können, durch die Allgemeinheit getragen werden müssen.
Geschieberäumung
Die Vicht ist ein stark Geschiebe führendes Gewässer. Über das ganze Jahr, besonders jedoch nach Hochwasserereignissen, transportiert sie ein kiesiges Geschiebe, was zu Um- und Ablagerungen im gesamten Gewässer führt. Aufgrund der bereits erwähnten Hochwasserproblematik kann die Ablagerung von größeren Geschiebebänken in der Altstadt von Stolberg nicht zugelassen werden. Diese Ablagerungen reduzieren den Abflussquerschnitt und erhöhen letztendlich auch den Wasserspiegel beim Hochwasser. Aus diesem Grunde führt der Wasserverband Eifel - Rur einmal jährlich, in der vegetationslosen Zeit, eine Geschieberäumung durch.
Bild 5: Geschieberäumungsarbeiten an der Vicht